Historie

23. September 2013

Sonntag - воскресенье

Sonntag heißt hier wörtlich übersetzt Auferstehung. Es ist mir ein Rätsel, warum Diktatoren, die die Religion ausmärzen wollten solche Worte gelassen haben. Das hätte ich an deren Stelle geändert. Weil sie es nicht gemacht haben, freu ich mich nun daran.

Heute war Gemeindetag. Ein schöner Gottesdienst in zwei Sprachen, mit einem Taizegesang zu Flöte und Gitarre. Anschließend Mittagessen, schwatzen, Bilder zeigen, Gruppenfoto.
Ich habe das Gefühl, die Gemeinde wird immer kleiner und älter. Umzug, Arbeit in Moskau, Trudeln zwischen orthodoxer und katholischer Kirche, keine Zeit, keine Lust, kein Hochfest, es gibt  viele Gründe und auch uns sind sie nicht fremd. Es fällt mir schwer, das was mir jetzt durch den Kopf geht in Worte zu fassen, deshalb lass ich es.

Nach dem Gemeindetag gab es zu Hause eine kleine Mittagsruhe und dann das Tischtennisturnier. Leider konnten wir nicht Russland gegen Deutschland spielen. Es waren zuwenig Russen da. Aber Spaß hatten alle. Und wir haben in alten Fotoalben Bilder von Albertas Anfängen in Russland angesehen. Das war eine schöne Einstimmung auf den Anlass unseres Restaurantbesuches heute.

Danach kam uns Kyrill Goldman auf einen kleinen Stadtbummel abholen. Er gehört zur Gemeinde und arbeitet bei der Bank. Unsere Bitte, den alten Bahnhof sehen zu wollen fand er sehr merkwürdig. Aber gelassen bestellte er ein Taxi um dorthin zu fahren. Als wir dort waren, merkte ich, dass der alte Zugbahnhof der neue Busbahnhof ist, von dem aus wir 2010 wieder nach Wolgograd gefahren sind. Aber damals hatten wir keinen Blick für die Schienen, alten Waggons und roten Signale, auf die wohl keiner mehr achtet, die aber vielleicht seit 2008 leuchten und sagen: weiter geht es nicht. Es gab vor 2008 Pläne Schienen nach Astrachan und Wolgograd zu legen, aber die ruhen irgendwo und warten, dass die Signale auf grün schalten.
Nach dem Bahnhof fuhren wir mit Kyrill zur Schachstadt –города шахмат. Eine kleine Stadt für sich, am Rand von Elista, in der 1998 die Schacholympiade und 2004 die Schachweltmeisterschaft der Frauen stadtfand. Die damals für die Sportler gebauten Häuser sind heute an Sportfunktionäre und Künstler, die von ihrer Kunst leben können, verkauft. Es ist eine sehr modern wirkende Anlage, mit gepflegten Straßen, viel Beleuchtung, kleinen Restaurants, einer kleinen orthodoxen Kirche und  sogar einer eignen Stadtverwaltung.
Und von dort starteten wir dann eine Punktlandung zum Restaurant Elista, in dem schon Alberta mit ihrer Familie auf uns wartete. Die gestrige Bestellung hätten wir uns sparen können:
zum einen waren wir die einzigen Gäste, zum anderen hat die Ankündigung der Fertigungszeiten keinen Anspruch auf Gültigkeit. Ich war schon am Anfang satt, als es für uns zehn nur 2 Menükarten gab. Aber das konnte innerhalb von zehn Minuten verbessert werden. Das Bestellen war eine lustige Angelegenheit, zumindest für uns Gäste. Die zwei Kellnerinnen sahen das bestimmt etwas anders und waren im Ganzen wohl auch etwas überfordert. Ein Essen ohne Fleisch konnten sie sich schonmal garnicht vorstellen. Und die Küche war auch nicht auf zehn Essen eingestellt. Alle Gänge kamen durcheinander, sie haben es nicht geschafft, dass wir mal alle zeitgleich Essen hatten. Und Lolas Nudeln wurden mal gleich ganz vergessen. Es war trotzdem ein schöner Abend, wir haben viel gelacht, viel gegessen und am Ende noch ein paar Taizelieder gesungen, aber meine Familie kann ihr Leid klagen, wie empfindlich ich da bin.  Und wir sind fröhlich nach Hause gefahren, auch wenn es scheinbar nicht üblich ist, dass Kellnerinnen sich von ihren Gästen verabschieden. Sie waren nach dem Zahlen einfach verschwunden und ich hab schon überlegt, ob der Letzte das Licht ausmachen sollte.

Das Essen war auch ein kleiner erster Abschied, denn morgen geht es nach Astrachan. Zum Frühstück treffen wir nochmal alle, aber jeder ist dann schon auf dem Sprung. Dieser Abschied auf Raten (Alberta fährt ja mit) macht es wieder leichter sich von Elista zu verabschieden. Könnt ihr euch vorstellen, wir sind jetzt zweimal allein durch die Stadt und haben jedesmal Bekannte getroffen. Schön, ge?!

Während des Essens haben wir auch öfter an die Wahl in Deutschland gedacht. Ich bin auf das Ergebnis gespannt. Hier in Russland waren vor zwei Wochen Wahlen und hier im Haus konnte nur Swetlana wählen, weil die Briefwahl für Lola (noch in Moskau registriert) und Sergej (schon auf der Reise nach Italien) sooo aufwändig und umständlich war, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen (der sowieso schon feststand) stand.

Ach ja, unser Ausflug in die Steppe fiel heut dem Wetter zum Opfer: es war heute nur leicht bewölkt und nicht sehr kalt (wobei das Kalmücken ja anders sehen) aber es hatte in der Nacht geregnet und dann ist die Steppe nicht so richtig gut zu befahren. Schade. Aber morgen auf dem Weg nach Astrachan geht es noch ein Stück durch die Steppe. Darauf freu ich mich.
Und auf Mirella, bei der wir übernachten sowieso. Sie haben wir 2011 kennengelernt. Irgendwo schlummert in diesem Blog auch ein Brief in dem ich über sie und ihre Arbeit erzähle.

Hier ist es jetzt 1.15 Uhr. Ich wünsche allen einen guten Wochenstart.
Liebe Grüße Maria

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