Historie

18. September 2012

HEUTE

„Der heutige Tag ist geschafft“ mit diesem Satz verabschiedet sich Alberta in die Nacht und wir haben das Gefühl, so lebt sie auch grad: von Tag zu Tag, immer ein bisschen am Rand ihrer Leistungsgrenze und immer mit dem Gefühl, dass etwas nicht geworden ist, nicht werden konnte, weil ihr die Möglichkeiten fehlen. Mit dem Blick in die nächsten Wochen, in denen Elsas Auszug und Operationen für Swetlana und Sergej anstehen, hatten wir uns gestern entschieden, heute Ketchup zu kochen. Eine Bananenkiste voll Tomaten kosten 350 Rubel, also keine 10 Euro.
Nach unserem Marktgang und dem gemeinsamen Frühstück haben der Pfarrer und Christoph sich um die Registratur gekümmert. Und gegen 15 Uhr waren sie endlich fertig. Was aber nicht nur an der russischen Behörde (in dem Fall der Post) lag sondern auch am Pfarrer.
Schade für Christoph, dass Thomas nicht mitfahren konnte.
Während Ursula den ganzen Vormittag in der Küche geknetet und geschnippelt hat, habe ich im Kinderzentrum gebastelt. Dieses Basteln mit den behinderten Tageskindern ist hauptsächliche Aufgabe der Praktikanten. Sind keine da, die nächsten kommen im Frühjahr, ist es Albertas Aufgabe ab 9 Uhr für Bewegung, Beschäftigung und Teezeit zu sorgen. Hat Olga später Schule kann sie morgens im Kinderzentrum helfen und Alberta einkaufen fahren. Und Elsa, die selber unterrichtet, kann Mittag kochen. Wohnt sie nicht mehr hier, wird sie deswegen nicht ins Haus kommen. So sieht Alberta der nächsten Zeit mit gemischten Gefühlen entgegen. „Gott hilft uns immer, es wird schon weitergehen“ Mir fehlen die Worte um zu beschreiben was dieser Satz für Alberta und ihre Familie alles ist.
Zu Mittag gab es Langosch, zum Abend Pizza und die Tomaten waren vor dem Gottesdienst auch fast alle verarbeitet - ohne mein Zutun. Ich kämpfe gerade mit einer bösen Herpesgeschichte (ich wusste nicht, dass sooo viele Pickel auf der Lippe Platz haben) und habe dafür von Ursula Prana und 3 Stunden Mittagsschlaf verordnet bekommen. Das schlimmste an der Geschichte ist meine Eitelkeit: zu Hause würde ich 5 Tage auf jede Öffentlichkeit verzichten, hier ist jeden Tag Gottesdienst, sind wir unterwegs und eingeladen. Sergej hat mich gefragt, ob ich eine Russlandallergie habe. Dabei kann ich sonst damit umgehen, wenn ich ein bisschen aus dem Rahmen falle: in Moskau waren die Frauen alle gestylt und ich in meinen bequemen Flugschlumpersachen fiel schon auf. Zum Stadtfest in Elista waren für uns die ganzen Trachten genauso exotisch wie ich mit Biosandalen, indischem Wickelrock und Seidenkappe für sie. Und nun seh ich aus wie ein kleines Monster … klingt ganz schön jammerlich – so ist mir auch.

Zum Abschluss des Tages haben wir uns noch gemeinsam einen Zeichentrickfilm angesehen: Mascha und Medwed übersetzt: Maria und der Bär. Ganz süß und lustig und sinnig.
Und zu dieser zeitlosen Geschichte fällt mir noch etwas ein:
Wir lassen hier die Fragenden immer erstmal raten, wenn sie unser Alter wissen wollen. Und Ursula ist schon mehrmals auf Mitte 30 geschätzt worden. Das macht wett, dass ihr in der Moskauer Metro zweimal ein Sitzplatz angeboten wurde. Da ich diese Erfahrung schon seit 2 Jahren hinter mir habe, konnte ich über ihr Entsetzen herzlich lachen. Und hier in Elista wurde alles wieder gut. Außerdem gibt es hier keine Metro...

Und mit diesem Gedanken, dass wir eine gute Reisegemeinschaft sind soll auch mein Tag enden. Eine ruhige Nacht und gute Reisebegleiter durch den morgigen Tag wünscht Maria

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