Historie

27. September 2010

Will ich das wirklich?

Das war für mich die große Frage, als es hieß: „wir fahren Freitag zum Kamelreiten in die Steppe“
Am Ende saß ich oben und es war eine schöne Erfahrung.

Vor unserer Reise dachte ich ja, ich könnte hier ganz viel Russisch lernen, so von den Einheimischen, mit der richtigen Betonung und überhaupt. Das entfällt. Auf uns treffen so viel Informationen, in Deutsch durch Schwester Alberta und Pfr. Reinhard, in Englisch durch Pater Waldemar, in Russisch von all den Menschen, die wir besuchen. Da hab ich Mühe, den Überblick zu behalten und fürs Wörterbuch ist keine Luft mehr.

Sylvia sieht alles ein bisschen mit den Augen eines Stadtplaners und fragte Pfr. Reinhard heute, warum die Stufen alle so unterschiedlich hoch seien, man würde andauernd stolpern. Er hatte diese Frage vor 17 Jahren zu Beginn seiner Russlandzeit auch und bekam folgende Antwort: „ Die Stufen müssen so unterschiedlich hoch sein, weil die Menschen sonst nicht mehr auf ihre Füße gucken und damit andauernd stolpern würden.“ Die russische Mentalität ist schon zum Teil ein Rätsel. Und bei den Stufen klingt das auch noch ganz lustig. Weniger lustig wird es, wenn es zum Beispiel um Albertas Arbeit geht. Ihr Haus ist offen für alle Behinderten der Stadt. Als Tagesstätte und auch für Dauergäste, wie die 6 Jugendlichen, die jetzt mit ihr als Familie dort wohnen. Bei den katastrophalen Bedingungen für Behinderte, das ist auch eine extra Geschichte, sollte man meinen, dass viele Eltern für ihre Kinder dieses Angebot gerne annehmen. Aber weit gefehlt, und dieses Misstrauen hat folgende Gründe:
1.      kommt das Angebot von Ausländern
2.      gehören diese der katholischen Kirche an und
3.      kostet die ganze Sache nichts.

Den Samstag waren wir wieder fast 10 Stunden mit dem Auto unterwegs. Das gehört zum Alltag im Gemeindebetrieb, aber das „warum“ stellt doch manche Frage. Unser erstes Ziel war … der Name fällt mir beim besten Willen um diese Zeit (01.54 Uhr) nicht mehr ein. Dieser Ort liegt 380 km von Elista entfernt und ist eine der beiden Außenstellen. Mit 4 Babuschkas und einem Ehepaar kurz vor der Rente (wobei in Russland die Frauen mit 55 und die Männer mit 60 in Rente gehen können) feierten wir 14.00 Uhr den ersten Sonntagsgottesdienst. Danach gab es ein Festessen auf dem Bauernhof. Ich möchte nicht wissen, wie viele Enten, Fische und Puten dafür in den Topf kamen.
Der Abschied von uns war herzlich, von Pater Waldemar war er Tränenreich. In 2 Wochen beginnt sein Dienst in Astrachan und Gott allein weiß, wann ihn sein Weg mal wieder nach … führt.
Unseren zweiten Gottesdienst feierten wir 3 Stunden später in Gorowidigorsk. Der Name könnte stimmen. Wenn nötig korrigier ich mich beim Patronatsfest. Dort  bestand die Gemeinde aus 4 Babuschkas, einem Ehepaar und einer alleinstehenden Mutter mit ihrer 9jährigen Tochter. Danach gab es Tschai und Kuchen und Obst und Pralinen und ein kariertes Hemd als Abschiedsgeschenk an Pater Waldemar. Beide Gemeinden feierten den Gottesdienst andächtig und freudig.
Und als wir der Meinung waren, nun für die nächsten Tage genug gegessen zu haben (dieses Gefühl hatten wir eigentlich jeden Tag mindestens ein mal), gingen alle auch freudig nach Hause und werden dort andächtig das Bild der Sixtinischen Madonna, das wir an alle verteilten, auf ihrem Marienaltar aufstellen. Nur der Pfarrer muss sich nun auf einen Heimweg von 350 km einstellen. Die Steppe bietet zwar wieder einen schönen Sonnenuntergang aber darauf sollten nicht alle achten. Mindestens einer muss die Polizeikontrollen bemerken. Wir hatten auf dem Rückweg 3 davon (wobei dabei schnell eine halbe Stunde vergeht) und kamen so erst 23.00 Uhr zu Hause an. Und morgen um 11 Uhr ist in Elista Gemeindegottesdienst. Diesen Ablauf hat Pater Waldemar jedes zweite Wochenende durchgehalten. Wir bewundern alle, die hier in diesen fast unendlich anmutenden Weiten den Dienst für Gott und an den Menschen tun.

Und wir können es gar nicht fassen, dass unsere Woche hier in Kalmückien schon zu Ende ist. Sonntagnachmittag bringt uns ein Überlandbus in 5 – 6 Stunden nach Wolgograd. Wenn nichts dazwischenkommt. Hier ist es immer möglich, dass etwas dazwischenkommt. Und am Montagnachmittag pünktlich zum Tschai sind wir wieder zu Hause.

So sind das auch meine letzten Zeilen aus Russland. Der Weg dieser 3 Briefe war übrigens folgender: ich speicher meine Zeilen auf den Stick. An Pater Waldemars Computer in der Pfarrei schicke ich meinem Sohn Simon eine Mail mit Anhang und er stellt diese Zeilen dann auf die Blogseite. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. Es gibt soooo viel zu erzählen und auf diese Weise konnte ich schon ein  klein wenig loswerden. Ich freu mich aufs Erzählen und auf Zuhause, aber auch hier habe ich ein Zuhause gefunden und der Abschied fällt mir nicht leicht.

Einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche wünschen allen
Sylvia Kumichel und Maria Schmidt

ach ja, PS das Wetter:  Sonnenschein pur.  
noch ein PS  die Außenstationen heißen Gorodowikowsk und Wesjoly

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Archiv